Was unsere Vorfahren erzaehlten






Was unsere Vorfahren erzählten und was wir erlebten

Viele Sitten und Gebräuche , z.t. noch aus heidnischer Zeit ,
hatten sich in Ziegenort erhalten.
Im Jahreslauf war es zuerst Fastnacht.

Am Fastnachtstag gingen Kinder , zum Teil verkleidet ,
zu freunden und Verwandten mit einem Spieß oder
einer Fastnachtsgabel ( ein gegabelter Zweig , von der
Rinde befreit ) und sagten folgende Sprüche auf:

,,Hippel de Pippel ,
de Wurst hett twee Zippel,
de Speck hett veer Ecken,
dat mutt man so schmecken."

,,Fastlobend , Fastlobend ,
upp den witten Schimmel ,
wer mi wat givt ,
kümmt in Himmel;
Wer mi nischt givt ,
kommt in de Höll
un kriegt wat mit de Düwelskell."

In den Häusern , in denen man Schweine schlachtete ,
bekamen die Fastlobendläufer Schinken , Wurst oder
Speck auf den Fastnachtspieß gesteckt.Vorher wurde
noch gesagt : schnied rum , schnie rum , över nich in
Dum." Es war eine Anspielung darauf , daß das Stück
nicht zu klein ausfallen sollte .Man bedankte sich und
zog weiter.In Häusern ohne Hausschlachtung gabe es
Fastnachtsbrezeln oder -  wecken , die nur an diesem
Tag von den Bäckern des Ortes gebacken wurden.Die
Brezeln hingen , auf einen Bindfaden gezogen , in den
Schaufenstern. Die Wecken hatten die Form eines
Kreuzes , bestreut mit Zucker und Zimt.Beendet
wurde der Fastnachts - Dienstag mit dem Schützenball
der Erwachsenen im Vereinssaal Person.

In der zeit vor Ostern holte man rechtzeitig Birkenzweige
ins Haus, ließ sie im warmen Zimmer Blätter treiben,
um am Ostersonntag eine Osterrute zum Stiepen
zu haben.Man stand früh auf und versuchte, Eltern
und Verwandte noch im Bett anzutreffen.Rigoros
wurde die Bettdecke weggezogen mit dem Spruch

,, Stiep, stiep Osterei,
gibst du mir kein Osterei,
stiep ich Dir das Hemd entzwei."

Es gab viel Gekreische und Gelächter und zum Schluß
Ostereier.

Ein anderer Brauch war das Osterwasserholen aus einem
fließenden Gewässer.Junge Mädchen machten
sich vor Sonnenaufgang mit Kannen auf den Weg,um
diese Wasser zu holen. Es sollte Schönheit für das
ganze Jahr verleihen.Nur durfte beim Wasserholen
kein Wort gesprochen werden, falls doch,war der
Zauber des Wassers gebrochen.Sobald nun aber die
Burschen des Dorfes davon erfuhren , daß die Mädchen
zum Osterwasserholen verabredet hatten,
legten sie sich auf die Lauer und versuchten mit sehr viel Spaß,
die Mädchen auf dem Heimweg zum Sprechen zu bringen,
was ihnen auch oft gelang.
Enttäuscht gossen sie ihr Wasser weg, waren aber doch
wohl nicht ganz traurig; man hatte gleich Gelegenheit,
das Osterfest mit einem Plausch zu beginnen.Zu Hause angekommen,
gab es in vielen Häusern einen Osterapfel.Er mußte vor dem Frühstück
gegessen werden - man sollte dann das ganze Jahr
keine Zahnschmerzen bekommen .

Zum Himmelfahrtstag wurde ein Birkenzweig ins haus geholt,
den man für ein Jahr, bis zum nächsten Himmelfahrtstag ,
auf den Boden hängte, um das Haus vor Blitzschlag zu bewahren.

Schön war folgender Brauch zu Pfingsten.
Das ganze Dorf schmückte die Häuser mit ,, Pfingstmai.""
Es wurden kleine Birken in Wasserbehälter gestellt,
manchmal zusammen mit Kalmus , der aus dem Sumpf
am Haffuferweg geholt wurde.Der frische Duft des
Birkengrüns , vermischt mit dem süßlichen Geruch des
Kalmus, zog sich durch das ganze Dorf;es war die Krönung
des Pfingstfestes.Hinzu kamen die neuen Kleider,
extra für diesen Tag angeschafft.Wenn die Sonne noch
dazu strahlte , trug das ganze Dorf ein Festtagskleid,
wie es schöner nicht sein konnte.
Abschluß war das Schützenfest am 3. Pfingsttag im Wiedsoll.

Wenn das Weihnachtsfest nahte, die grauen Felder und Wiesen
mit Schnee bedeckt waren, das Glockengeläut der Pferdeschlitten ertönte,
fingen am 24.12. die heiligen 12 Nächte an , die bis zum 6.Januar dauerten.
Es durfte während dieser Zeit keine Wäsche zum Trocknen
nach draußen gehängt werden, da es sonst einen Sterbefall
in der Familie geben würde. Auch durften keine Ställe ausgemistet werden;
es hätte ebenfalls Verluste oder Schäden beim Vieh bedeutet.

Nach Weihnachten, bei klaren Frost, wurden die Hausschlachtungen vorgenommen.
An vielen Häusern sah man Leitern mit geschlachteten Schweinen.
Am Abend kam der Schlachter zum Einhauen des Schweines und das Wurstmachen
konnte beginnen.Es roch nach Majoran, Thymian und Zimt.Viele Gerüche zogen durchs Haus.
Die Blut- und Leberwürste wurden zusammen mit dem Wellfleisch in einem großen Kessel
gekocht.Einige Würste ließ man zerkochen, damit die Brühe einen guten Geschmack bekam.
Die Nachbarn und Freunde holten sich in Kannen von der Wurstsuppe,
um sie mit großen Behagen zusammen mit Pellkartoffeln und Blutwürsten,
abgeschmeckt mit Zimt und Rosinen, zu verzehren.
Während die Bauersfrau in der Winterzeit im Haus beschäftigt waren,
fuhren viele Bauern mit ihren Gespannen Langholz mit Schlitten.
Die Kinder hängten sich mit ihren Rodelschlitten gern hintendran,
wenn die Gespanne leer zum Wald fuhren, um den Herzberg
schneller zu erreichen,auf dem es mehrere Rodelbahnen gab.
Erst wenn die Sonne unterging und die Dämmerung begann,
hatte der Spaß ein Ende.Man zog müde-die Hosenbeine der Trainingsanzüge
waren steif gefroren-nach Hause.In der Nähe des Kachelofens,gestärkt
mit einem Bratapfel aus der Röhre, taute man langsam wieder auf.

Ein anderes herrliches Wintervergnügen war das Schlittschuhlaufen
auf den zum Teil überschwemmten Wiesen, wenn das Eis im Hafen noch hielt.
Sonst waren natürlich Haff und Hafen Hauptanziehungspunkte.
Aber nicht nur Kinder , auch viele Erwachsene versammelten sich zum Schlittschuhlaufen.
Man ging, wenn es genügend gefroren hatte, über den Wellenbrecher und hatte dann die
weite Eisfläche bis zur Fahrrinne Swinemünde-Stettin vor sich.
Diese wurde, solange es möglich war, durch starke Eisbrecher für den Schiffsverkehr
offen gehalten.Ein herrliches Bild, wenn sich die Eisbrecher mit lautem Krachen durch das
Eis schoben.Die Fahrrinne wurde bei Bedarf mit einer Holzbrücke versehen,um die
gegenüberliegenden Orte wie Schwantefitz, Ganserin,Köpitz und Stepnitz zu erreichen.

War das Eis im Hafen dick genug, begann das Eisschlagen:große Blöcke wurden mit Äxten
und Beilen Sägen herausgelöst und mit Wagen zu den Kühlhäusern der Fleischer,
Brauereien und Bierniederlassungen abtransportiert.Die Stellen, an denen man das Eis
geschlagen hatte, wurden durch Rohrbüschel markiert.

Andere Löcher im Eis wurden für das ,,Aalstechen" geschlagen.Mit Aalspeeren,
die an langen Stangen befestigt waren, versuchte man, die auf Grund liegenden
Aale zutreffen.Sehr ertragreich soll diese Art der Fischerei nicht
gewesen sein.

Wenn das Frühjahr kam, lagen auch wieder die Fischer vom jenseitigen Ufer mit
ihren Polten im Ziegenorter Hafen, da unser Hafen ein geschützter und
zentraler Ausgangspunkt war.Am Abend, wenn sie vom Fang heimkehrten,
waren die Quatzen ( Karl Kugel ) dort um die Fische aufzukaufen.
Der Hauptanteil wurde nach Stettin gebracht;die Ziegenorter holten sich
ihren Anteil abends in Netzen und Beuteln am Hafen.
Die Fischer vom jenseitigen Ufer des Haffs sprachen ein für uns fast
unverständliches Plattdeutsch.Man nannte sie die ,, Gelfeutschen".

Die Frauen einiger Ziegenorter Fischer zogen mit Karren durchs Dorf,
um ihre Ware abzusetzen;aber sie kamen auch heimlich Abends
an die Hintertüren der Häuser und boten Zander an,die noch nicht
das richtige Maß hatten, genannt ,, Külper".Oft hörte man auch ein
Glockengebimmel, verbunden mit dem Ruf ,,Hooolt Stint- am Haben."

Auch ein Nebenverdienst für viele Ziegenorter war das Blaubeerflücken
im Sommer.Ganze Ströme von Menschen zogen in der Frühe in die Wald,
mit Körben bewaffnet,um die Blaubeeren zu ernten.Wenn Feierabend war,
standen Autos aus Stettin am Waldrand ( Herzberg ) und
kauften die Beeren auf.So manche Mark wanderte in den Spartopf
oder konnte für heimliche Wünsche verbraucht werden.

Im Herbst begann das Kartoffelbudeln.Mit Hacken wurden die
Kartoffeln, zum größten Teil von Frauen, auf einem Sack knieend,
in einer Reihe immer vorwärts kriechend, ausgebuddelt.
Die Männer nahmen die vollen Körbe ab und schütteten die
Kartoffeln in die Säcke.Das Mittagessen wurde aufs feld gebracht,
meistens ein Eintopfgericht.Zur Kaffeezeit gab es das frische
selbstgebackene Roggenbrot mit Gerstenkaffee.
Man aß die Mahlzeiten am Wegesrand,atmete den Geruch der
frisch aufgeworfenen Erde in der warmen Herbstsonne.
Abends aß man auf dem Bauernhof oft
Matjeshering mit Pellkartoffeln.

Bei allem dürfen auch die Dörflichen Hochzeiten
nicht vergessen werden.Zum Poltern versammelte sich
wohl das ganze Dorf.Am Hochzeitstag nahm man
ebenfalls regen Anteil.Viele Paare gingen im
langen Brautzug festlich angezogen durch das Dorf
zur Kirche.Dem Brautpaar folgten paarweise die jungen Leute,
dann kamen die Älteren; vorweg liefen die Kinder,
die Blumen streuten.Vor der Kirche bildeten die
Gäste ein Spalier, durch das das Brautpaar feierlich in die
Kirche schritt.Nach der Trauung war die Reihenfolge
hinter dem Brautpaar umgekehrt.Zu Hause gab
es ein festliches Mahl,aus mehreren Gängen bestehend.
Als erster Gang wurde fast immer köstlicher
Haffzander serviert, der allen vorzüglich mundete.
Nach ausgiebigem Tafeln und einem guten Kaffee
begann dann der Tanz.Inzwischen war es Abend geworden.
Die Fenster der Festräume im Elternhaus der Braut
durften nicht durch Rollos oder Fensterläden verschlossen
werden, jeder mußte in die Fenster sehen können,
um sich mit den Gästen am Tanz zu erfreuen.
Die ,, Tokieker," wie sie genannt wurden,
standen je nach der Größe der Hochzeit
oft in Trauben an den Fenstern.

Es war üblich, daß ab und an ein Schnäpschen nach
draußen gebracht wurde.Nun gab es unter den
,,Tokiekern" aber auch einige, die wohl sehen,aber nicht
gesehen werden wollten.Sie verschwanden schnell in der Dunkelheit,
sobald jemand aus dem Brauthaus kam.
Einmal standen bei einer Hochzeit - es war vor dem
1. Weltkrieg und man trug noch lange weite Röcke
einige Mädchen, verzaubert von dem Geschehen
im Hochzeitshaus, ganz gedankenversunken dort.
Sie hatten nicht beobachtet, daß ihre Röcke von einem
jungen Mann mit Nadeln zusammengesteckt wurden.
Derselbe rief dann laut,, da kommt jemand aus dem Haus.""
Alle, die nicht gesehen werden wollten, eilten auseinander;
aber sie waren aneinander gefesselt, andere stolperten
über die zusammengesteckten Röcke,
ein große Spaß für die männlichen ,, Tokieker."
Die jungen Mädchen habe sicher, nachdem sie sich von
ihrem Schreck erholt haben,noch bis zum Abtanzen
des Brautschleiers ausgeharrt.